Scheinwahrheit Nr. 6a: Ihr jammert nur auf hohem Niveau. In anderen Branchen ist es doch noch schlimmer. Wissenschaftliche Arbeit ist nicht mit der Prekarität von Leiharbeit vergleichbar.
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Scheinwahrheit Nr. 6a: Ihr jammert nur auf hohem Niveau. In anderen Branchen ist es doch noch schlimmer. Wissenschaftliche Arbeit ist nicht mit der Prekarität von Leiharbeit vergleichbar.

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Die Prekarität von Leiharbeiter:innen legitimiert nicht die Prekarität in anderen Berufsfeldern. Beide sind zu kritisieren, auch wenn sich der Typ der Prekarität in den beiden Berufsgruppen unterscheidet. Genau das wird mit der obigen Aussage aber in Frage gestellt: Sie setzt das relativ Bessere als das schon hinreichend Gute. Insofern fußt sie auf einem klassischen naturalistischen Fehlschluss: Vom Sein (= in anderen Branchen gibt es noch mehr Prekarität) wird aufs Sollen geschlossen (= dann mögen die Branchen, die etwas weniger prekär sind, ruhig prekär bleiben). Arbeitsbedingungen sollten aber nicht daran gemessen werden, ob sie weniger schlimm als andere sind, sondern daran, ob die Beschäftigten ein gutes Auskommen haben und ihre Tätigkeiten in einem förderlichen und gesunden Umfeld ausführen können. Der Vergleich mit dem jeweils schlechteren Standard darf deshalb kein Rechtfertigungsgrund für die bestehenden Verhältnisse sein. Die Orientierung daran führt nur zur weiteren Absenkung eines bereits schlechten Standards (vgl. auch Scheinwahrheit 2b).

 

Die Aussage, dass es „in anderen Branchen noch schlimmer sei,“ ist in Bezug auf die empirisch nachweisbaren Befristungsquoten auch nicht richtig: Diese rangieren in der Wissenschaft um die 80%, in der freien Wirtschaft hingegen um die 10%. In der Wissenschaft liegen diese Quoten also immens höher. Darüber hinaus üben rund 40% des wissenschaftlichen nicht-professoralen Personals ihre Tätigkeit in Teilzeitbeschäftigung aus (zumindest nominell, faktisch wird meist Vollzeit erwartet) – im Gesamt der Beschäftigten sind es dagegen nur rund 25% (vgl. BuWiN 2021 und Destatis 2018, S. 59).

 

 

Literatur:
– Arbeitsmarkt auf einen Blick. Deutschland und Europa, hrsg. vom Statistischen Bundesamt (Destatis), Wiesbaden 2018, https://www.destatis.de/Europa/DE/Publikationen/Bevoelkerung-Arbeit-Soziales/Arbeitsmarkt/broeschuere-arbeitsmark-blick-0010022189004.pdf?__blob=publicationFile
– Bundesbericht wissenschaftlicher Nachwuchs, Statistische Daten und Forschungsbefunde zu Promovierenden und Promovierten in Deutschland, hrsg. vom Konsortium Bundesbericht
Wissenschaftlicher Nachwuchs, Bielefeld 2021, https://www.buwin.de/buwin-2021. [zu den Beschäftigtenzahlen].

 

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