Kommentar zur geplanten Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG)
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Kommentar zur geplanten Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG)

Die deutschen Hochschulen behalten auch mit dieser geplanten Reform des WissZeitVG die Sonderlizenz, wissenschaftliches Personal für erhebliche Zeit befristet zu beschäftigen und dann stillschweigend zu entsorgen; sie werden darin nur unwesentlich stärker reglementiert als bisher. Promovierte Wissenschaftler*innen werden dagegen verstärkt unter Druck gesetzt. Das Kunststück, minimale Verbesserungen mit neuen Nachteilen zu verbinden, gelingt in der Einigung zum neuen Gesetz vor allem durch zwei Punkte: eine schwache Regel zu Vertragslaufzeiten vor der Promotion und eine halbherzig von sechs auf drei Jahre gesenkte Höchstbefristungsgrenze danach, ohne den Übergang in unbefristete Beschäftigung zu regeln.

Für Nichtpromovierte wird eine Mindestvertragslaufzeit für den Erstvertrag festgelegt, die allerdings nur drei Jahre beträgt (ca. zwei Drittel der Zeit, die Promotionen momentan durchschnittlich brauchen) und nur eine „Soll-Bestimmung“ darstellt. Das ist zu wenig für wissenschaftliche Qualifizierung, und es wird viele Promovierende gerade in der Endphase ihrer Arbeit in den Kampf um den Lebensunterhalt werfen. Wer die Promotion abgeschlossen hat und damit unbestreitbar für wissenschaftliche Arbeit qualifiziert ist, wird dann in eine neue Testphase geschickt, die mindestens zwei Jahre dauern muss und höchstens drei Jahre dauern darf. Das ist zu lange, um die Hochschulen zur regulären Beschäftigung ihres qualifizierten Personals zu zwingen oder den Beschäftigten einen klaren Bruch mit dem Wissenschaftsbetrieb zu ermöglichen – und es ist deutlich zu kurz, um sich wissenschaftlich zu entwickeln und die zahlreichen Leistungen zu erbringen, an denen das System dann Berufungsfähigkeit festmachen will. Als alternative Beschäftigungsoption bleiben nach wie vor nur Drittmittelprojekte, denen auch das neue Gesetz keinen Riegel vorschieben soll; sobald die Zeit der „Qualifizierungsbefristung“ ausgeschöpft ist, darf man sich hier weiter von Projekt zu Projekt hangeln. Der Druck auf die Individuen wird erhöht, die Einrichtungen können entspannt weiter sogenannten ‚Nachwuchs’ anheuern und feuern. Auch der Qualifizierungsbegriff bleibt wie bisher unbestimmt, weil er nicht konsequent auf die Promotion eingegrenzt ist. Als sarkastische Zusatzpointe bietet die Einigung eine Pseudo-Aufhebung der Tarifsperre an: Institutionen und Beschäftige sollen in einem schmalen Korridor über Regelungen verhandeln dürfen, die im Zweifelsfall auch zu Lasten der letzteren gehen – als Hauptbeispiel werden PostDoc-Verträge mit ein- oder dreijähriger Laufzeit genannt. Die Koalition und das BMBF haben es allen ein wenig recht machen wollen, besonders aber der Hochschulrektorenkonferenz; das Ergebnis ist ein unglücklicher Kompromiss und wird wenig am System prekärer Beschäftigung in der Wissenschaft ändern.