26 Feb Neuer Kommentar zu Personalmodelle-Alternativen
Kommentar zum Diskussionspapier „Personalmodelle für Universitäten in Deutschland. Alternativen zur prekären Beschäftigung“
PHILOSOPH UND MITTELBAUVERTRETER DGPHIL DR. DANIEL KERSTING
Das vorliegende Diskussionspapier ergänzt die bisher geführte Debatte um Personalmodelle an Universitäten in Deutschland um mindestens drei wichtige Punkte: Es räumt erstens das verbreitete Bedenken aus, Entfristungspolitik ginge grundsätzlich zulasten folgender Generationen, weil für diese nicht mehr genügend Stellen frei würden. Demgegenüber zeigen die Rechnungen: auch Dauerstellen-Modelle ermöglichen viele Neuzugänge; sie schaffen – zumindest dann, wenn von einer deutlich geringeren Zahl an Promovierenden ausgegangen wird – bessere Anschlussmöglichkeiten, erzwingen also weniger Ausstiege aus der Wissenschaft. Zweitens erweitert das Papier die bisherige Diskussion, die sich in den letzten Jahren vor allem auf das Tenure-Track-Modell fokussiert hat, um neue Entfristungsperspektiven und zeigt damit klar: Es gibt weit mehr als eine gute Alternative zum Status quo. Schließlich berücksichtigt das Papier drittens bei der inhaltlichen Diskussion der Vor- und Nachteile der Modelle neben quantitativen Aspekten auch qualitative Gesichtspunkte: Die Autor*innen fragen weniger danach, wie viel Arbeitskraft die jeweiligen Modelle für Drittmittelakquise oder internationale Wettbewerbsfähigkeit freisetzen. Ihr Fokus liegt eher darauf, ob die entsprechenden Personalreformen sozial integrativ oder exkludierend wirken würden, wie anfällig sie für die Entstehung neuer Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse wären und ob sie dabei helfen könnten, strukturelle Diskriminierung in den Wissenschaften abzubauen. Damit macht das Papier auf eine gesellschaftliche Dimension unserer Diskussion um Personalmodelle aufmerksam und erinnert an die gesellschaftspolitische Verantwortung der Hochschulen.
Wirft man unter dieser Perspektive einen vergleichenden Blick auf die vorgestellten Modelle, kommen u.a. folgende Aspekte in den Blick: Professurenzentrierte Modelle wie das Tenure-Track-Modell (hier Variante B) oder das reine Professuren-Modell (Variante D) schaffen größere Gleichheit und damit möglicherweise auch mehr Gleichberechtigung innerhalb des Kollegiums, indem sie auf die Abschaffung des (abhängig beschäftigen) Mittelbaus zielen und allen wissenschaftlich Beschäftigten nach der Promotion selbständige Forschung und Lehre ermöglichen. Sieht man einmal von der Abhängigkeit ab, in der jene stehen, die sich noch auf dem „Track“ befinden, sind diese Modelle in Sachen Autonomie und Egalität unschlagbar. Auf der anderen Seite verlangen sie den Individuen aber auch eine ganze Reihe von Anpassungsleistungen ab: ein System, das mit weniger Personal auskommt und alle Karrierewege auf die Professur konzentriert, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit kompetitiver und sozial selektiver als ein System mit heterogenen Stellenprofilen und quantitativ mehr Stellen. Bildungsbiographien würden dadurch noch stärker normiert als bisher und Diversität an der Hochschule faktisch abgebaut. Das Lecturer-Modell oder verwandte Modelle haben diese Konsequenzen nicht, weil sie mit Dauerstellen jenseits der Professur unterschiedliche Beschäftigungsmöglichkeiten bieten und damit auch eine größere Pluralität an Berufsbiographien zulassen. Dafür sind sie anfälliger für die Bildung neuer Hierarchien, in denen unliebsame Aufgaben leichter ‚nach unten‘ gereicht werden können und sich längerfristig auch eine Kluft zwischen reinen Lehrstellen und reinen Forschungsstellen herausbilden könnte.
Aus der Antizipation solcher möglichen Konsequenzen folgt freilich noch nicht unmittelbar, welches Modell das bessere ist. Das ist eine evaluative Frage, deren Beantwortung auch politische und ethische Wertentscheidungen einschließt: etwa darüber, ob man ein kleines, gleichberechtigtes, aber dafür tendenziell elitäreres Institut für wünschenswert erachtet, oder ein größeres Institut mit einer heterogeneren Personalstruktur. Oder darüber, ob wir Hochschulen primär als „Forschungsstandorte“ verstehen möchten, an denen unter marktförmigen Bedingungen Wissen produziert wird, oder als Bildungsinstitutionen, die Individuen in umfassende (Selbst-)Bildungsprozesse einbinden – Prozesse, die letztlich auch für den Erhalt einer lebendigen Demokratie unverzichtbar sind.
Natürlich sollte der Streit um das „richtige“ Modell die gemeinsamen Bemühungen um eine Verbesserung der Situation an den Universitäten nicht spalten. Bei allen Unterschieden im Detail verfolgen doch alle Modelle das Ziel, möglichst vielen nach der Promotion eine unbefristete Anstellung zu ermöglichen. Politisch erscheint es sinnvoll, dieses gemeinsame Ziel immer wieder ins Zentrum von Debatten und Verhandlungen zu stellen. Möglicherweise zeigt sich in der Umsetzung, dass gerade mit Blick auf Interessensgegensätze Lecturer-Modelle anderen Modellen gegenüber überlegen sind, weil sie flexibler ausgestaltet werden können und dadurch leichter als andere Modelle Kompromissbildungen ermöglichen. Dies wird freilich die weitere Diskussion zeigen müssen, die nun vor allem an den Instituten und Fachbereichen vor Ort zu führen wäre – unter Einbeziehung aller Interessens- und Statusgruppen und unter Berücksichtigung der jeweiligen institutionellen Bedingungen und Fachkulturen.
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