Kommentar und Diskussionsaufruf
15885
post-template-default,single,single-post,postid-15885,single-format-standard,bridge-core-3.3,qode-page-transition-enabled,ajax_fade,page_not_loaded,,qode-title-hidden,transparent_content,qode-child-theme-ver-1.0.0,qode-theme-ver-30.8,qode-theme-bridge,qode_header_in_grid,wpb-js-composer js-comp-ver-7.9,vc_responsive

Kommentar und Diskussionsaufruf

Kommentar zum Diskussionspapier “Personalmodelle für Universitäten in Deutschland. Alternativen zur Prekären Beschäftigung”

 

Soziologin und Gewerkschafterin Dr. Anne K. Krüger (GEW)

 

Das Netzwerk Gute Arbeit in der Wissenschaft hat einen beeindruckenden Aufschlag unternommen, rechnerisch  nachzuweisen, wie man auf verschiedenen Wegen nahezu kostenneutral die Personalstruktur des deutschen Wissenschaftssystems umbauen könnte. Und auch das Ziel, das damit verfolgt wird, halte ich für das zentrale Ziel: nämlich erstens deutlich zu machen, dass das derzeitige System darauf basiert, dass „die Karrierechance der Nachfolgenden die massenhafte Entsorgung der Vorgänger*innen voraussetzen“ (S.2). Und zweitens die Frage zu stellen, wie „die personelle Dynamik eines Systems aussähe, das wissenschaftlichen Nachwuchs in vertretbarer Zeit für unbefristete Stellen ausbilden würde“ (ebd.).

Dazu hat das NGAWiss erstmals in seiner Rechnung vier entscheidende Faktoren berücksichtigt, die genau darüber Auskunft geben können:
– die Personaldynamik: Wie viele Dauerstellen können jeweils jährlich neu besetzt
werden?
– die Neuzugänge: Wie viele Menschen können pro Jahr erstmals in der Wissenschaft
eine Beschäftigung aufnehmen?
– die Übergangsquoten: Wie viele Personen können jährlich nach der Promotion eine
Postdok-Stelle antreten?
– und auch die erzwungenen Austritte aus der Wissenschaft: Wie viele Postdoks müssen
jährlich das System verlassen, weil es keine Stellen für sie gibt?

Die Rechnungen dazu basieren auf bestimmten Prämissen, die einerseits interessante Vorschläge sind (wie beispielsweise Drittmittel als Grundmittel mit einzubeziehen), aber auch gewisse Probleme bergen (wie beispielsweise bei der Länge der Promotionsstellen mit 5 Jahren unter den Möglichkeiten des WissZeitVG zu bleiben und lediglich von 80%-Stellen
auszugehen). Das Papier arbeitet dann verschiedene Personalstrukturmodelle heraus, wobei man eine gewisse Tendenz zu einem reinen Lecturer-Modell herauslesen kann.

Die Frage nach einer Reform der Personalstruktur an Universitäten wird dabei aktuelle zunehmend zum Thema der Stunde. In einer Studie zu den Personalentwicklungskonzepten, die im Rahmen des TT_Programms eingereicht wurden, die ich gerade – finanziert durch die GEWnahe Max-Traeger-Stiftung – durchgeführt habe (1), wird deutlich, dass Dauerstellen neben der Professur zu einem relevanten Thema werden und an einigen Unis auch tatsächlich über Reformen ihrer Personalstruktur nachgedacht wird.

Und die GEW hat in ihrem Positionspapier „Wissenschaft als Beruf“(2), das wir vor drei Jahren bereits auf einer Veranstaltung zusammen mit dem NGAWiss vorgestellt haben, Vorschläge vorgelegt, wie eine Personalstruktur mit entsprechenden Stellenkategorien aussehen könnte, die einerseits Qualifizierung ermöglicht und andererseits der Vielzahl an Aufgaben an den Universitäten gerecht wird. Als wesentliche Voraussetzung wurde hier vor allem eine Departmentstruktur stark gemacht, die sowohl Dauerstellen neben der Professur vorsieht als auch frühzeitige Eigenständigkeit ohne die Abhängigkeit von Lehrstuhlinhaber*innen.

Die Fragen von Qualifizierung einerseits und Daueraufgaben andererseits sind hierbei die zentralen Fragen dafür, wie eine Personalstruktur aussehen sollte. Und die Vermischung dieser beiden Punkte in der aktuellen Personalstruktur stellt das entscheidende Problem dar. Denn die Auslagerung einer Vielzahl an Daueraufgaben auf Qualifizierungsstellen verhindert zu sehen, wie viele Daueraufgaben an den Unis bestehen. Die GEW geht an dieser Stelle auch noch einen Schritt weiter, indem sie darauf hinweist, dass nicht nur z.B. Studienberatung, Erasmuskoordination oder die Betreuung von Großgeräten und Sammlungen als Daueraufgaben verstanden werden müssen, sondern gerade auch Lehre und Forschung die Kern- und damit Daueraufgaben einer Universität sind.

Es geht hier also einerseits um die Frage, wie individuellen Wissenschaftler*innen endlich langfristige Jobperspektiven angeboten werden können. Es geht dabei aber andererseits auch um die Frage, wie die Universitäten eigentlich der permanent wachsenden Anzahl an Daueraufgaben, die an ihnen stattfinden müssen, gerecht werden wollen.

Wenn es also um die Entwicklung einer Personalstruktur geht, muss man unbedingt auch danach fragen, was die Aufgaben einer Universität inklusive Lehre und Forschung sind und wieviel Personal auch jenseits der Professuren, mit denen man bislang vor allem rechnet, man eigentlich dafür benötigt.

Und dann muss man sich in einem zweiten Schritt wiederum fragen, wieviel befristete Promotionsstellen man braucht, um hier sowohl permanent eine adäquate Nachbesetzung im Wissenschaftssystem zu ermöglichen, als auch – wie es immer heißt – für Positionen in Wirtschaft und Gesellschaft zu qualifizieren.

Das hat natürlich mit Geld zu tun. Und das NGAWiss-Papier gibt wichtige Impulse dahingehend, dass ein solcher Umbau nicht am Geld scheitern muss. Es hat aber auch mit einer adäquaten Personalplanung und Personalstrukturentwicklung zu tun. Und dazu sollten die Universitäten dringend endlich kommen.

Dafür setzt sich die GEW aktuell mit ihrer Petition „Dauerstellen für Daueraufgaben“ ein, die
auf der Website der GEW zu finden ist: https://www.gew.de/dauerstellen/


Weitere Kommentare zu unserem Diskussionspapier können gern an mail@mittelbau.net gerichtet werden!