06 Sep #ichbinhanna: Nach der Einladung ins BMBF fordern wir grundlegenden Wandel. Wir bieten unsere Expertise an.
Im Zuge der höchst erfolgreichen #ichbinhanna-Twitterkampagne sind Mitstreiter:innen für bessere Arbeitsbedingungen von Bildungsministerin Anja Karliczek ins BMBF eingeladen worden. Dieser Schritt kam spät, wurde von uns aber sehr begrüßt. Am Gespräch in Bonn nahmen am 10.8.2021 Kristin Eichhorn (Mitinitiatorin von #ichbinhanna, Mitglied im Koordinationskreis von NGAWiss), Lisa Janotta (Mitglied im Koordinationskreis von NGAWiss), Sarah Young (Vorständin im N2PhDNet), Ariane Leendertz (Autorin von Wissenschaftler auf Zeit) und Jens Südekum (äußerte sich hier zu #ichbinhanna) teil. Solche vertraulichen Formate können zu gegebener Zeit sinnvoll sein und wir sind bereit, den Austausch – ggf. auch mit einem neu besetzten BMBF – fortzuführen. Wir hätten es allerdings konstruktiver gefunden, den Dialog öffentlich zu führen. Vor allem aber fordern wir einen öffentlich erkennbaren hochschulpolitischen Kurswechsel.
Was wir vom BMBF erwarten:
- Öffentliche Stellungnahmen des Ministeriums und der Ministerin, die ein angemessenes Bewusstsein von der Problematik befristeter Beschäftigung erkennen lassen. Seit Amtsantritt der Ministerin warten wir vergeblich auf solche Äußerungen. Auch ihre jüngsten Pressebeiträge lassen nicht erkennen, dass sie das Problem sieht. Wettbewerb und Exzellenz werden zum Kern der Wissenschaft erklärt. Verkündet wird immer wieder die Leitlinie, Deutschland müsse sich im internationalen Wettbewerb behaupten. Allerdings führt die Unattraktivität der Arbeitsbedingungen an deutschen Hochschulen derzeit de facto zur Abwanderung qualifizierter Wissenschaftler:innen. In den Äußerungen des BMBFs fehlen Überlegungen zur Demokratie an Hochschulen, Intersektionaler Gerechtigkeit und guten Arbeitsbedingungen vollkommen. Stattdessen waren die Stellungnahmen des BMBF zu #ichbinhanna bisher rein defensiv. Weder analysierten sie die aktuelle miserable Beschäftigungslage des wissenschaftlichen Personals, noch ließen sie Gegenstrategien erkennen.
- Nachbesserungen bei den millionen- bis milliardenschweren Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern, in denen die Chance zu Gegenmaßnahmen bisher verpasst wurde. Der Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken enthält nur die unverbindliche Erwartung, dass irgendwie mehr Dauerstellen geschaffen werden. den Ländern steht es frei, diese Erwartung fast beliebig zu unterlaufen, ohne dass sie Geldeinbußen zu befürchten haben. Hier braucht es Sanktionen für Länder und Universitäten, die sich nicht an die Vereinbarungen halten und das Geld nicht in entfristete Mitarbeiter:innen-Stellen investieren. Zeitgleich wurde im Pakt für Forschung und Innovation ein großer jährlicher Mittelaufwuchs bei den gewöhnlich (und zunehmend) projektbasierten Forschungseinrichtungen vereinbart. Auf diese Weise wird sich das Ungleichgewicht zwischen Grund- und Projektfinanzierung weiter vergrößern. Gerade der angeheizte Projektwettbewerb, für den etwa die DFG steht, befördert die prekäre Beschäftigung. Um dem gegenzusteuern, müssen beschäftigungspolitische Verpflichtungen für die Forschungsinstitutionen festgelegt werden.
- Abschaffung oder grundlegende Reform des Wissenschaftszeitertragsgesetzes (WissZeitVG), das jahrelange befristete Beschäftigung als Normalität festschreibt und nach dem Ablauf dieser Jahre mit automatischem Beschäftigungsende droht. Unter diesem Gesetz leiden Tausende sogenannter Nachwuchswissenschaftler:innen – gerade in Phasen, in denen sie längst kein „Nachwuchs“ mehr sind. Das WissZeitVG fällt unmittelbar ins Ressort des BMBF. Wir fordern regulär entfristete Beschäftigung nach der Promotion.
Die Mindestvoraussetzung für eine gute Arbeit des Ministeriums und seiner Leitung bestünden darin, dass in diesen drei Bereichen Fortschritte erkennbar werden. Das muss auch bei den Bundestagswahlen und bei der Besetzung des Ministeriums in der neuen Regierung eine Rolle spielen. Wir bieten unsere Expertise dafür gern an.