Wer Drittmittel als Waffe gegen politische Gegner benutzt, ist ein Feind der Wissenschaftsfreiheit. Bettina Stark-Watzinger muss zurücktreten.
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Wer Drittmittel als Waffe gegen politische Gegner benutzt, ist ein Feind der Wissenschaftsfreiheit. Bettina Stark-Watzinger muss zurücktreten.

Bettina Stark-Watzinger hat sich bislang vor allem durch Abwesenheit in zentralen Debatten ausgezeichnet. So hat sie im Prozess der Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) alle Argumente zur Verbesserung der Forschungs- und Lehrbedingungen prekärer Wissenschaftler:innern ignoriert. Nun tritt sie in einer ganz anderen Debatte in Erscheinung: Durch einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit. Der gestern öffentlich gewordene Versuch der Bundesministerin, kritischen und teilweise ohnehin prekarisierten Forscher:innen quasi als Strafe für missliebige Stellungnahmen zur Versammlungsfreiheit Forschungsgelder zu entziehen, ist eine Grenzüberschreitung. Wir fordern daher den Rücktritt der Forschungsministerin.

Themen, bei denen Reformen nötig sind und zu denen der Koalitionsvertrag konkrete Änderungen versprochen hatte, spielten in der Tätigkeit der Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger bis dato keine erkennbare Rolle. In ihrer zweieinhalbjährigen Amtszeit hat sie es versäumt, in irgendeiner Weise die Arbeitsbedingungen für nichtprofessorale Wissenschaftler:innen zu verbessern. Zu möglichen Änderungen zählen bspw. die signifikante Einschränkung des Sonderbefristungsrechts im WissZeitVG und eine Kursumkehr im Drittmittelunwesen, das im Bund befristete Projektgelder normalisiert. Stattdessen hat das Ministerium im Prozess der WissZeitVG-Novellierung nur Entwürfe hervorgebracht, die nahezu alles beim Alten lassen oder verschlimmern. Den Maßgabebeschluss des Bundestags-Haushaltsausschusses, der das BMBF verpflichtet, sich um eine Bund-Länder-Vereinbarung für ein Dauerstellen-Programm zu bemühen, sitzt die Ministerin einfach aus. Unmittelbare Reaktionen gab es von ihr allenfalls in Form einer spontanen Abwehr von wirklich lösungsorientierten Vorschlägen wie der Höchstbefristungsquote.

Wir haben uns zu diesen Themen mehrfach geäußert. In einer kürzlich veröffentlichten Erklärung haben wir außerdem darauf hingewiesen, dass das System befristeter Beschäftigung und wettbewerblich vergebener Projektmittel nicht nur eine Belastung der Lebensplanung sondern auch eine Einschränkung der Qualität von Forschung und Lehre darstellt. Prekarisierung und Drittmittelwesen beeinträchtigen die Unabhängigkeit und Kritikfähigkeit der beteiligten Wissenschaftler:innen. Dadurch wird auch ihre Widerstandsfähigkeit gegen möglicherweise immer weiter ins Autoritäre driftende politische Zustände geschwächt. Als besonders zensuranfälligen Bereich haben wir die Debatten zum Nahostkonflikt hervorgehoben

Offensichtlich hat die Ministeriumsleitung nun mehrfach versucht, Wissenschaftler:innen, die unerwünschte Meinungen (im konkreten Fall nicht einmal zum Thema Gazakrieg selbst, sondern zur Verteidigung des Rechts auf friedlichen Protest) geäußert haben, öffentlich und dienstlich dauerhaft zu beschädigen. Zu einer Kampagne der Bild-Zeitung, die Erstunterzeichnende eines offenen Briefs zu Campusbesetzungen öffentlich an den Pranger stellte, trug die Ministerin mit verdächtigenden Formulierungen bei. Wie nun aus Recherchen und Dokumentenveröffentlichungen des NDR hervorgeht, wurde im Ministerium darüber hinaus intern die Weisung erteilt, den fraglichen Brief strafrechtlich zu prüfen und auszuloten, ob den Unterzeichnenden Fördergelder entzogen werden könnten. Eine Erläuterung dieser Anweisungen wiederholte zudem die öffentlich geäußerten Zweifel der Ministerin daran, ob die Unterzeichnenden auf dem Boden des Grundgesetzes stünden. 

Tatsächlich steht Bettina Stark-Watzingers Versuch, Forscher:innen die finanzielle Grundlage ihrer Arbeit aufgrund politischer Meinungsäußerungen zu entziehen, im direkten Widerspruch zur grundgesetzlich garantierten Wissenschaftsfreiheit. Besonders absurd wirkt dieser Vorgang mit Blick darauf, dass das BMBF selbst das aktuelle „Wissenschaftsjahr“ unter den Begriff der Freiheit gestellt hat. Eine Hausleitung des BMBF, die sich derart an staatlichen Eingriffen in die Freiheit der Wissenschaft, der Forschung und der Lehre sowie der Meinungsfreiheit von Wissenschaftler:innen versucht, ist in einer Demokratie nicht tragbar. 

Um Schaden von ihrem Haus und der Wissenschaft in Deutschland abzuwenden, sollte Frau Stark-Watzinger ihr bisher ohnehin kaum ernsthaft ausgefülltes Amt räumen.

 

Berlin, 12.6.2024

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